Agnes’ Kolleginnen und mehr im Buch

In der DDR ausgebildete Schwestern tauchen regelmäßig in Büchern auf. Krankenschwestern, Kinderkrankenschwestern, Gemeindeschwestern, Rot-Kreuz-Schwestern, Sprechstundenschwestern, Betriebsschwestern, aber auch Diakonissen. Wer wissen will, wie es im Osten früher wirklich war, findet manche Perle. Meistens jedoch nur noch im Antiquariat. 5 Lesetipps zum Welttag des Buches.

Rudi Benzien (1936-2018)

Schwester Tina

Verlag Neues Leben Berlin 1982

176 Seiten

Verlagsankündigung:

Auf der Neugeborenenstation hat sie keine freie Minute, aber ihre Gedanken sind häufig bei Frank, der für eineinhalb Jahre Soldat ist. Fünfhundertfünfundvierzig Tage, denkt sie, Zeit genug sich darüber klarzuwerden, ob Frank der Richtige ist.

Lesenswert, weil das Buch…:

  • lebendig geschrieben ist
  • einen realistischen Einblick in die Zeit vor 40 Jahren gibt
  • mehr als einmal herzlich lachen lässt
  • bewusst macht, dass auch Kinderkrankenschwestern vom Aussterben bedroht sind (seit Einführung der generalistischen Pflegeausbildung 2020 kann der Beruf nur noch über eine Spezialisierung erlernt werden)

 

Klaus Huhn (1928-2017)

Mit Schwester Agnes auf der Straße

spotless (edition ost) 2009

96 Seiten

Verlagsankündigung:

Dieser Report beginnt am Berliner Alex und endet am „Adlon“. Dazwischen liegt keine Fest-, sondern eine Protestmeile. Indiens Literatur-Nobelpreisträger Rabindranath Tagore hatte einst konstatiert: „Man erkennt den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit ihren Altern und Kranken umgeht.“ 130.000 sind an einem Tag im September 2008 nach Berlin gekommen, um zu bekunden, dass nach Tagores Maßstab dieses Land nicht viel wert ist.

Klaus Huhn war mit Schwester Agnes dabei. Sein Bild des bundesdeutschen Gesundheitswesens, das er recherchierte, schockiert. Nebenbei weiß er allerlei Amüsantes über die Schwestern Agnes zu erzählen – über die Volksschauspielerin Agnes Kraus (1911-1995), deren Filmrolle als „Schwester Agnes“ und seine Begleiterin, die ihr nacheifernde Krankenschwester von heute.

Lesenswert, weil das Buch…:

  • nicht nur eine von vielen Demos in Berlin beschreibt
  • neben vielen Fakten Alltägliches beinhaltet
  • Leser*innen trotz allem nicht frustriert zurücklässt, sondern mit einem konstruktiven Überraschungsende

 

Marion Heinrich (geb. 1954)

Gemeindeschwestern erzählen

Verlag Neues Leben Berlin 2010

192 Seiten, Taschenbuch

Verlagsankündigung:

Die Gemeindeschwestern in der DDR versorgten Alte und Kranke, wechselten Verbände, setzten Spritzen und nahmen in ihren Stationsräumen einfache Untersuchungen vor. Geregelte Arbeitszeiten kannten sie nicht, genauso wenig wie unlösbare Probleme: „Geht nicht, gibt’s nicht!“ war die Devise von Schwester Regina – ganz im Stil der gewitzten Gemeindeschwester Agnes aus dem Fernsehen -, getreu diesem Motto organisierte sie Einwegspritzen, Windeln und den konventionellen Abtransport schmutziger Wäsche. Man machte etwas „richtig oder gar nicht“, findet Tilli, und deswegen endete ihre Arbeit nicht mit der medizinischen Versorgung: Wie die meisten Schwestern half sie ihren Patienten auch bei anderen Lebensproblemen.

In einem sind sich alle zehn Frauen, die in diesem Buch zu Wort kommen, einig: Die Zeit als Gemeindeschwester war trotz der oft harten Arbeit die schönste ihres Lebens.

Lesenswert, weil das Buch…:

  • sehr empathisch die Lebenswege der 10 Frauen nachvollzieht
  • Probleme und Freuden konkret benennt
  • belegt, dass Sprechstundenschwestern Gemeindeschwestern sein konnten

 

Ingrid Kussatz (1951-2022)

Poliklinik für Haut und Liebe. Lebenserinnerungen einer Landärztin

Pro Business Berlin (BoD) 2010

180 Seiten

Verlagsankündigung:

Die Autorin erzählt von ihrer glücklichen Kindheit in einem erzgebirgischen Bergarbeiterdorf. Wir erfahren von einer skurrilen Klavierlehrerin und einem Patenonkel, dessen Tochter der RAF angehört. Eine schrullige Studentenwirtin bringt heitere Momente in den studentischen Alltag. Während der Ausbildung zur Hautärztin verliebt sich die Autorin in einen Baustudenten, der sie veranlasst, mit ihm in die Uckermark, eine nördliche Provinz der DDR, zu gehen. Von den Problemen des Einlebens auf dem Land, dem eigenwilligen Menschenschlag, einem Kollegen, der sich als „Platzhirsch“ produziert und der Arbeit in einer sozialistischen Poliklinik ist die Rede. Wie die Kirchgemeinde, Patienten und Kollegen und die zauberhafte Landschaft zur neuen Heimat werden, erfahren wir auf lustige Art und Weise. Kurz und knapp, ohne Umschweife, aber mit Humor, wird ein Stück DDR-Geschichte aus der Sicht einer Landärztin erzählt.

Lesenswert, weil das Buch…:

  • der nach 35 Arbeitsjahren pensionierten Hautärztin authentisch erzählt, wie interprofessionelle Arbeit in der DDR funktionierte, obwohl man sie damals nicht so nannte
  • dass nicht Jede*r privilegiert war, weil sie/er Arzt/Ärztin war
  • mit manch anderem Klischee aufräumt
  • Lust auf einen Besuch in der Uckermark macht
  • für immer an die im Februar 2022 verstorbene Medizinerin erinnert

 

Thomas Kupfermann (Herausgeber, geb. 1953)

Alltag DDR. Ärzte, Poliklinik und Gemeindeschwester

Weltbild Editionen 2015

112 Seiten

Verlagsankündigung:

Pflichtimpfungen, Mütterberatungsstellen, Betriebsärzte, „Prävention und Betreuung statt Versorgung“. Wie sah das Gesundheitswesen in der DDR aus?

Wir blicken zurück: Die kostenlose medizinische Betreuung war ein verfassungsmäßiges Recht. Für die ambulante Behandlung gab es staatliche und betriebliche Polikliniken, und bei der stationären Unterbringung standen oft sechs Betten und mehr in einem Zimmer. Hoch- und Fachschulen bildeten auf höchstem Niveau medizinisches Personal aus, von denen mancher im Westen verschwand. In der Apotheke kaufte man „Immer fit durch Summavit“ und „Gothaplast“. Rezepte mit Zuzahlung waren unbekannt, und das Arzneimittelverzeichnis umfasste nur 1750 Präparate. Die „Schnelle Medizinische Hilfe“ rollte im Barkas an. Es gab eine Krankenkasse für alle und dazu das grüne „SV-Buch“. Landambulatorien und Gemeindeschwestern sicherten die medizinische Betreuung auf dem Dorf.

Fakten, Bilder und ganz persönliche Erinnerungen führen zurück in das Gesundheitswesen der DDR und machen ein Stück Alltagsgeschichte lebendig.

Lesenswert, weil das Buch…:

  • 16 Menschen mit unterschiedlichen Berufen über ihre Erinnerungen an das DDR-Gesundheitswesen reflektieren lässt
  • es viele seltene Fotos enthält
  • mit Fakten punktet
  • keine (N)Ostalgie betreibt

 

Welche Bücher empfehlen Sie? Und warum?

 

Fotos: Dagmar Möbius

 

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