MDR-Doku über unrühmliche Poliklinik-Epochen

Rund 50.000 Zwangseinweisungen erfolgten zwischen 1961 und 1989 in sogenannte geschlossene Venerologische Stationen der DDR. Frauen und Mädchen ab zwölf Jahren wurden schon beim Verdacht nichtkonformen Verhaltens eingesperrt und misshandelt. Die 45-minütige Dokumentation des MDR „Trauma ‚Tripperburg‘ – Gewalt gegen Frauen in der DDR“ berichtet über das finstere Kapitel.

Betroffene Frauen haben ihr jahrzehntelanges Schweigen gebrochen. Mit der Aufarbeitung wurde erst vor ca. zehn Jahren begonnen. Beteiligte Schwestern und Ärzte schweigen oder relativieren ihre Schuld.

Aus der Pressemitteilung des MDR:

Angelika Börner erinnert sich wie heute an die brutalen Untersuchungen: „Die haben einem die Röhrchen unten rein gerammt. Ich habe an einem Tag solche Schmerzen gehabt.“ Kein Einzelfall, wie Historikerin Dr. Steffi Brüning weiß: „Aus heutiger Sicht würden wir die Behandlungen und die Methodik, die dahintersteckt, als sexualisierte Gewalt einschätzen.“

In der DDR wurden tausende Frauen und Mädchen in Kliniken festgehalten. In den im Volksmund „Tripperburgen“ genannten geschlossenen Venerologischen Stationen wurden sie täglich gegen ihren Willen gynäkologisch auf Geschlechtskrankheiten untersucht und misshandelt. Doch in den meisten Fällen waren die zwangseingewiesenen Frauen völlig gesund. Ziel der brutalen Maßnahmen: Die Frauen sollten laut Hausordnung der Kliniken isoliert und zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erzogen werden.

Jahrzehnte wurde über dieses Kapitel der DDR-Geschichte geschwiegen. Zu groß waren Angst und Scham der betroffenen Frauen, über ihr Trauma zu sprechen. Die letzte „Tripperburg“ wurde 1989 geschlossen. Erst in den 2010er-Jahren begann die Aufarbeitung.

Gemeinsam mit der Historikerin Steffi Brüning und der Bürgerrechtlerin Heidi Bohley deckt der Film von Marie Elisa Scheidt die Hintergründe eines bis heute tabuisierten Verbrechens auf. Er erzählt, wie sexualisierte Gewalt als Erziehungsmaßnahme in einem Land genutzt wurde, das die Emanzipation und die Gleichstellung der Geschlechter staatlich propagierte. Die Dokumentation „Trauma ‚Tripperburg‘ – Gewalt gegen Frauen in der DDR“ zeigt auch, welche dramatischen Folgen die Einweisung in diese Einrichtungen für die Frauen bis heute hat.

Sie ist bis 10.03.2024, 23:35 Uhr in der ARD-Mediathek zu sehen.

Tausende Frauen und Mädchen wurden in der DDR in Kliniken eingesperrt. Die Doku geht der Frage nach, warum es die geschlossenen Venerologischen Stationen gab und welche Folgen sie für die Frauen bis heute haben.

Angelika Börner im Jahr 1965: Im selben Jahr war sie als 16jährige in der geschlossenen venerologischen Station der Poliklinik Mitte, Halle.

 

Foto: MDR Constantin Dokumentation_Ferdinand Kowalke

 

 

 

 

 

Sprechstundenschwester hat im Jahr 2020 zur ehemaligen Poliklinik Mitte in Halle/Saale recherchiert sowie einen Roman und ein Fachbuch zur Thematik vorgestellt.

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