Vor der #btw: Politik zeigt wenig Ahnung von ambulanten Gesundheitsberufen

Der Verband medizinischer Fachberufe übermittelte im Vorfeld der Bundestagswahl am 26. September 2021 den im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der AfD) acht Wahlprüfsteine. Die Antworten von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE, CDU/CSU, FDP sowie SPD (Reihenfolge nach Eingang der Antworten) wurden diese Woche veröffentlicht. Die Fragen bezogen sich unter anderem auf die Themen Fachkräftemangel, Bezahlung systemrelevanter Berufe, Tarifverbindlichkeit und Tariftreue, Rolle von MFA und ZFA im ambulanten Gesundheitswesen, Arbeitsschutz und Ausbildung.

Die Ergebnisse lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen: Allgemeinplätze und erschreckende Unkenntnis. Der Verband zeigte sich insbesondere enttäuscht über äußerst lückenhaftes Wissen zur Ausbildung der rund 600.000 als Medizini­sche, Tiermedizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte sowie als angestellte Zahntechniker*innen Beschäftigten.

Auszugsweise zitiere ich hier die Antworten des Themas 4 – Rolle von MFA und ZFA im ambulanten Gesundheitswesen.

Welche Rolle werden aus Ihrer Sicht Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte in der ambulanten Gesundheitsversorgung im ärztlichen und zahnärztlichen Bereich in Zukunft übernehmen?

Antwort: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Bedeutung dieser Berufsgruppen sollte aus unserer Sicht in den kommenden Jahren zunehmen. Das Ziel ist es, dass alle Berufe Hand in Hand und möglichst auf Augenhöhe für eine gute Versorgung der Patient*innen zusammenarbeiten können. Wir GRÜNE wollen je nach Qualifikation hierzu auch die Kompetenzen von therapeutischen und anderen Gesundheitsberufen ausbauen und die Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung und Weiterbildung verbessern.

Antwort: DIE LINKE

Wir setzen uns dafür ein, dass die Kompetenzen und die Rolle von nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen gestärkt wird. Wir fordern gerade für den ambulanten Bereich, dass mehr ärztliche Aufgaben delegiert und auch substituiert werden können. Schon jetzt übernimmt nichtärztliches Fachpersonal vielfach delegierte medizinische Aufgaben. Allerdings arbeiten sie häufig in einem (haftungs-)rechtlichen Graubereich, der für keine*n der Beteiligten wünschenswert ist.

Wir wollen durch klare Vorgaben diese Rechtsunsicherheit beenden und die Kompetenzen der einzelnen Berufe klarer festlegen. Ärztinnen und Ärzte erhalten so die Möglichkeit, sich auf Tätigkeiten zu konzentrieren, die nur durch sie durchgeführt werden können. Wir wollen, dass die vorliegenden Erfahrungen aus Modellprojekten schneller verbindlich in die Regelversorgung überführt werden. Das Konzept der “Gemeindeschwester” ist erfolgreich erprobt worden und sollte weiterentwickelt und in die Fläche gebracht werden.

Antwort: CDU/CSU

(Gemeinsame Antwort auf die Fragen 1, 2 und 4)
Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte sind und bleiben eine stabile und wichtige Säule der Versorgung im ambulanten Gesundheitswesen. In den Praxen der Ärzte und Zahnärzte übernehmen sie wichtige Aufgaben im Bereich der Behandlungsassistenz und sind auch verwaltend-kaufmännisch tätig. In der nächsten Legislaturperiode werden CDU und CSU sich weiterhin für den Rahmen angemessener Arbeitsbedingungen und eine leistungsgerechte Bezahlung einsetzen. Wir sehen die Verantwortung allerdings in erster Linie bei den (Tarif-) Vertragspartnern bzw. bei den Praxisinhabern.

Antwort: FDP

Wir Freie Demokraten setzen uns dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient die beste Versorgung erhält. Dafür muss die Gesundheitsversorgung künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Wir wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln. Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. Die Bedürfnisse des ländlichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen durch entsprechende Programme berücksichtigt werden. Wir lassen uns weiterhin vom Grundsatz „ambulant vor stationär“ leiten. Die gesetzlichen Vergütungsregelungen erschweren es derzeit, Behandlungsmethoden aus dem Krankenhaus in den ambulanten Sektor zu überführen. Für die Dauer der Entscheidungsverfahren muss die stationäre Vergütung erhalten bleiben, damit keine Patientin und kein Patient unversorgt bleibt.

Der verstärkte Einsatz von Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten im ambulanten Bereich kann dazu beitragen, ambulante Behandlungen auszubauen und den Grundsatz „ambulant vor stationär“ Rechnung zu tragen.

Antwort: SPD

Auf das Wissen und das Engagement der gut ausgebildeten und motivierten medizinischen und zahnmedizinischen Fachangestellten können wir in Zukunft nicht verzichten. Bei der Delegation und Substitution von ärztlichen Leistungen hätten wir uns mehr gewünscht, als in dieser Legislaturperiode mit der Union machbar war.

Wir sind fest davon überzeugt, dass die Arztzentrierung im deutschen Gesundheitssystem ein Modernisierungshemmnis darstellt und vor allen Dingen unsere Probleme bei der Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung verschärft. Gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte können mehr, als ihnen in Deutschland zugetraut wird. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen zudem, dass die Berufszufriedenheit in den nichtärztlichen medizinischen Berufen wächst, wenn mehr Eigenverantwortung und Autonomie eingeräumt werden.

Aus diesen Gründen setzt sich die SPD für weitere Fortschritte bei der Delegation und der Substitution ärztlicher Leistungen ein.

Quelle

Zur Pressemitteilung

Ich habe bereits gewählt und meine Wahl wäre von diesen Wahlprüfsteinen kaum beeinflusst worden. Die für mich dennoch bemerkenswertesten Sätze habe ich oben farbig markiert.

Was meinen Sie: Welche Maßnahmen sollte die Politik in puncto ambulantes Gesundheitswesen dringend ergreifen und durchsetzen?

Für alle noch Unentschlossenen:

WAHLTRAUT – die Wahlberaterin für die Bundestagswahl 2021, funktioniert wie der Wahl-O-Mat, setzt jedoch den Fokus auf feministische und gleichstellungspolitische Themen.

Die Bundeszentrale für politische Bildung hat u.a. eine Aufstellung aller 6.211 Personen, die bundesweit für den Bundestag kandidieren.

Der Musik-O-Mat verrät dir, mit welcher Partei dein Musikgeschmack übereinstimmt.

 

 

Foto: Archiv Dagmar Möbius

Schon jetzt finden viele Facharztpraxen kein qualifiziertes Personal. Ein Grund: Die wesentlich schlechtere (nicht selten prekäre) Vergütung gegenüber Pflegefachkräften.

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