„Gesundheitszentrum klang zu sehr nach Osten“

Heute geht die 30-tägige EinheitsExpo zum Tag der Deutschen Einheit zu Ende. Ich habe mir (u.a.) den vom Bundesverband Medizinische Versorgungszentren gestalteten Kubus auf dem Alten Markt in Potsdam angeschaut und lernte sogar mir bisher unbekannte Fakten. Die Ausstellung kann auch online besichtigt werden.

Von wegen DDR-Erfindung

Die Poliklinik, die so viel wie Stadtkrankenhaus bedeutet, musste in den letzten drei Jahrzehnten allerlei Vernichtendes erleben. Dabei wird oft vergessen, dass sie überhaupt keine DDR-Erfindung, sondern viel älter ist. Oder hätten Sie gewusst, dass der Krankenkassenverband in den 1920-er Jahren in Berlin mehr als 40 Polikliniken betrieb?

Sehr spannend ist der Zeitstrahl, der den historischen Kontext ambulanter Versorgung aufgreift.

Dass das fachübergreifende Kooperationsmodell heute im vereinten Deutschland anerkannt ist, hätten viele Skeptiker*innen 1990 wohl nicht gedacht. Das Land Brandenburg, insbesondere Regine Hildebrandt, gilt als Vorreiter der ambulanten interdisziplinären medizinischen Zusammenarbeit, vor allem im ländlichen Raum.

Warum aus der Poliklinik/Gesundheitszentrum das MVZ wurde

Wie die Poliklinik in den Westen kam-Vorderansicht

Laut Koalitionsvertrag von 2002 sollten Gesundheitszentren an der ambulanten Versorgung teilnehmen können. Die rot-grüne Regierung beabsichtigte den Poliklinik-Bezug ausdrücklich. Der CDU/CSU „klang dies zu sehr nach Osten“. In der Bundesrepublik versorgten überwiegend niedergelassene Einzelmediziner*innen die Menschen, kooperative Modelle waren unbekannt. Deshalb einigte man sich als Kompromiss auf den Begriff Medizinische Versorgungszentren (MVZ).

 

„Ich erinnere mich gern daran“

Wie die Poliklinik in den Westen kam-Rückansicht

Natürlich ist Schwester Agnes, die resolute Gemeindeschwester aus dem Fernsehen, vielen Ostdeutschen noch ein Begriff. Im Ausstellungskubus darf sie nicht fehlen. Tatsächlich beobachte ich, wie die blaue Schwalbe zahlreiche Besucher*innen zum Innehalten und Lesen der informativen Kurztexte bewegt. Dass Schauspielerin Agnes Kraus in ihrer Rolle als Schwester Agnes bei jeder ihrer Fahrten auf dem Mofa gedoubelt werden musste, wird manchen Fan enttäuschen, aber es ändert nichts daran, dass ich mehrfach höre: „Ich erinnere mich gern an sie.“

Im Zuge der Diskussion über die Debatte der Akademisierung der Gesundheitsberufe ist gut, dass die Exposition daran erinnert, wie viele nichtärztliche Tätigkeiten in der DDR an Krankenschwestern, (nicht genannte) Sprechstundenschwestern und Gemeindeschwestern delegiert wurden. Aufgrund ihres medizinischen Fachschulstudiums durften sich Sprechstundenschwestern wie Krankenschwestern zur Gemeindeschwester qualifizieren.

 

 

Screenshot DM

©BMVZ

 

 

 

Bleibt zu hoffen, dass der jüngsten Erkenntnis Wolfgang Schäubles anlässlich des 30. Jahrestages der Deutschen Einheit, die Fähigkeiten der Ostdeutschen unterschätzt zu haben, auch politische Korrekturen erfolgen!

 

Fotos: Dagmar Möbius

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