HIV in der DDR und heute

Vor 40 Jahren wurden die ersten Fälle von HIV in Westdeutschland dokumentiert. Der erste an AIDS (Acquired Immune Deficiency Syndrome) Verstorbene in der DDR wurde 1986 registriert. 14 HIV-Infizierte soll es zu diesem Zeitpunkt gegeben haben. An beliebig verfügbare Labortests im Verdachtsfall war nicht zu denken. Sprechstundenschwester.de liegt jedoch ein Dokument vor, dass einen HIV-Test im Rahmen eines Screenings ohne Wissen des Betroffenen aus 1985 belegt.

Lehrbuchthema in der DDR erst nach 1986

Im stets schnell vergriffenen Lehrbuch „Spezielle Krankheitslehre – Dermatologie und Venerologie“ der medizinischen Fachschulausbildung war dem Themenkomplex der Geschlechtskrankheiten ein umfangreiches Kapitel gewidmet, von Gonorrhoe bis Syphilis – hier ein Foto aus der 4. Auflage von 1981/82. Zitat: „Es ist Anliegen dieses Buches, die Krankheitslehre des Fachgebietes Dermatologie und Venerologie so darzustellen, daß durch Vermittlung von Grundkenntnissen über die wichtigsten Krankheitsbilder das Verständnis für erforderliche therapeutische Maßnahmen und pflegerische Besonderheiten geweckt und dazu die besondere psychische Situation der Kranken erkannt wird.“

Über HIV und AIDS wurde im Unterricht erst nach 1986 gesprochen.

Der VEB Verlag Volk und Gesundheit veröffentlichte 1987 das Aufklärungsbuch „AIDS. Was muss ich wissen? Wie kann ich mich schützen?“ des Immunologen Niels Sönnichsen, in der DDR als „Professor AIDS“ bekannt. Die erste Ausstellung zum Thema AIDS war ab 1. Dezember 1988 im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden zu sehen. Mehr dazu finden Interessierte im Artikel „GIB AIDS KEINE CHANCE“. Eine Präventionsbotschaft in zwei deutschen Staaten von Henning Tümmers aus dem Jahr 2013.

Ost-West-Unterschiede

Waren im Jahr 1990 im Westen Deutschlands rund 42.000 Menschen mit dem Humanen Immundefizienz-Virus infiziert und 5.000 an AIDS erkrankt, zählte man im Osten 1991 insgesamt 210 HIV-Infizierte. 30 Jahre später lebten bundesweit rund 90.800 Personen mit HIV/AIDS, davon rund 72.700 Männer und rund 18.100 Frauen. Das Epidemiologische Bulletin 47/2022 des Robert Koch-Instituts  weist darauf hin, dass außerdem mit noch nicht diagnostizierten etwa 8.600 HIV-Infektionen gerechnet werden muss.

Immer noch nicht heilbar, aber gut zu behandeln

Das Lehrbuch „Die Arzthelferin“ aus der Schlüterschen Verlagsanstalt und Druckerei Hannover widmet in seiner 29. Auflage von 1991 der HIV-Krankheit und AIDS im Kapitel „Mikrobiologie und Infektionslehre“ auf Seite 187 einen halbseitigen Abschnitt. Schon damals war bekannt: „Die Gefahr einer Ansteckung durch die Tätigkeit in einer Arztpraxis ist nach heutiger Kenntnis bei Einhaltung der notwendigen hygienischen Maßnahmen gering. Beschrieben sind bisher im ärztlichen Bereich nur Übertragungen durch infiziertes Blut.“

Im medizinischen Umfeld hat sich noch nicht überall herumgesprochen, dass HIV heute gut zu behandeln, wenn auch noch nicht heilbar, ist. Nahezu alle Infizierten mit Zugang zu einer antiretroviralen Therapie erhalten diese auch (2021 96 %). Dadurch kann sich das Virus im Körper nicht vermehren, ist nicht mehr übertragbar und medikamentös behandelte HIV-positive Menschen erkranken nicht mehr an AIDS. Das bedeutet:

  • Der HIV-Status ist für die berufliche Tätigkeit nicht relevant.
  • Mit HIV kann man heute alt werden und leben wie alle anderen.
  • Mit HIV kann man jeden Beruf ausüben.
  • HIV-Positive sind nicht häufiger krank.
  • Eine HIV-Übertragung ist im Arbeitsalltag ausgeschlossen.

Kein Berufsverbot für Menschen mit HIV

Dennoch berichteten 90 % der Befragten einer 2020 durchgeführten Befragung über diskriminierende Erfahrungen, sprich Benachteiligungen oder Ausgrenzen ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Kerstin Mörsch leitet die Kontaktstelle zur HIV-bezogenen Diskriminierung in der Deutschen Aidshilfe. Sie sagt: „In Deutschland gibt es kein Berufsverbot für Menschen mit HIV.“

Das Bundesarbeitsgericht legte 2013 in einem Urteil fest, dass Menschen mit einer HIV-Infektion durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschützt sind. Werden sie ohne sachlichen Grund von Teilhabe ausgeschlossen, liegt eine Diskriminierung nach dem AGG vor. „Einen sachlichen Grund, jemanden mit HIV nicht als Medizinische Fachangestellte einzustellen, gibt es nicht“, betont Kerstin Mörsch. „Die Frage danach ist nicht erlaubt und muss so auch nicht wahrheitsgemäß geantwortet werden.“

Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen AIDShilfe, verweist ergänzend auf die Empfehlungen für Mitarbeitende im Gesundheitswesen der Gesellschaft für Virologie, die lediglich Ausnahmen für ärztlich Tätige in der Chirurgie in besonderen Fällen thematisieren. Für Pflegekräfte oder Praxispersonal gilt diese Empfehlung nicht. Er sagt: „Wir plädieren dafür, HIV-Tests im Arbeitsleben gesetzlich zu verbieten.“

Alle, die ihre Kenntnisse selbstständig auffrischen oder testen möchten, können den interaktiven E-Learning-Kurs „Leben und Arbeiten mit HIV“ kostenlos absolvieren.

Aufmacherfoto:

Mangels verfügbarer Literatur angefertiger Ausriss aus handschriftlichen Notizen der DDR-Zeitschrift “Medizin aktuell” 4/1988

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