In meiner erfolgreich bestandenen Bachelorarbeit habe ich „Potenziale des Berufsbildes Sprechstundenschwester (DDR) für die interprofessionelle Gesundheitsversorgung“ wissenschaftlich analysiert.
Die Arbeit ist noch unveröffentlicht, aber das Interesse am Thema steigt. Meine Gutachterinnen Prof.in Heidi Höppner (Alice-Salomon-Hochschule Berlin) und Prof.in Andrea Thiekötter (Fliedner Fachhochschule Düsseldorf) bescheinigten der Arbeit, eine Forschungslücke geschlossen zu haben. Es war mir wichtig, bisher unbelegte Fakten zum Berufsbild zu erschließen und lohnenswerte Bildungsansätze in die neue Zeit zu holen. Darüber hinaus sollte die Diskussion über die Anerkennungsproblematik vieler DDR-Gesundheitsfachberufe wieder angeregt werden.
Zum Abstract geht es hier:
Pflegeberufe gehören zu den Engpassberufen. Angesichts stetig steigender Zahlen von Pflegebedürftigen kann sich das deutsche Gesundheitswesen nicht leisten, auf den Einsatz einheimischer qualifizierter Gesundheitsfachkräfte zu verzichten. Über viele in der DDR absolvierte und nach 1990 nicht oder nur partiell anerkannte medizinische Studiengänge und Qualifikationen liegen jedoch kaum fundierte Kenntnisse vor und es bleiben Potenziale ungenutzt. Am Beispiel des Berufes „Sprechstundenschwester“ wird untersucht, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zwischen den ab 1974 gültigen medizinischen DDR-Fachschulstudiengängen „Krankenpflege“ und „Sprechstundenassistenz“ gab, welche Rolle (frühe) interprofessionelle Kompetenzen und die Zugehörigkeit zur Profession Pflege spielen. Die Forschungsfragen werden mit einem mehrperspektivischen Ansatz beantwortet: Eine Literaturrecherche wird mit einer qualitativen Inhaltsanalyse und der historisch-kritischen Methode kombiniert. Die hypothetisch erwarteten Gemeinsamkeiten und Unterschiede konnten belegt und Hinweise auf interprofessionelles Arbeiten gefunden werden: Die Lehrinhalte waren nahezu identisch. Bezüglich der beruflichen Tätigkeitsbeschreibungen gab es geringe Unterschiede. Die im historischen Kontext selbstverständliche Zugehörigkeit zur Profession Pflege konnte nachvollzogen werden. Diskutiert wird das identifizierte Diskriminierungspotenzial von Gesundheitsfachberufen im Allgemeinen und von Sprechstundenschwestern im Besonderen. Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich für empirische Studien sowie vergleichende Qualifikations- und Bildungswegeforschung.
Reaktionen auf Open-Souce-Artikel in der Berliner Zeitung
Am 28. August 2024 veröffentlichte die Berliner Zeitung einen Open Source-Artikel unter der Überschrift „Pflegenotstand: Würde eine späte Anerkennung der DDR-Fachkräfte helfen?“. Er fasst einen Extrakt meiner wissenschatlichen Arbeit laiengerecht zusammen, kann aber natürlich nur auf ausgewählte Aspekte eingehen.
Ich freue mich sehr über zahlreiche, zum Teil sehr ausführliche, Zuschriften auf den Beitrag mit wertvollen Hinweisen und arbeite nach und nach alles ab. Besonders erfreulich ist das solidarische Verhalten von Personen, die von der Thematik nicht selbst betroffen sind, aber sich Gerechtigkeit im Gesundheitswesen und mehr Informationen über die Nachwendezeit wünschen.
Radiointerview am 3. September 2024
Am Dienstag, dem 3. September 2024, 7:15 Uhr, werde ich bei TIDE Radio Hamburg, in der Sendung „Heiße Tasse“ zu Gast sein und mit Thomas Steinbrecher darüber sprechen. Das Gespräch kann über das Internet verfolgt oder nachgehört werden.
Foto: Archiv Dagmar Möbius
Mediale Wertschätzung. Auf den Titelseiten der DDR-Wochenzeitschrift NBI (Neue Berliner Illustrierte) waren regelmäßig Gesundheitsfachkräfte abgebildet, hier in der Ausgabe 36/1988. Das Foto stammt aus der Ausstellung „ARBEIT“, die 2020 im Landtag Potsdam gezeigt wurde.
Sie sprechen mir aus dem Herzen und ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie diese Problematik ansprechen.
Ich bin Krankenschwester und absolvierte 1980-83 meine Ausbildung an der Medizinischen Fachschule in Berlin-Buch. Zwei Jahre nach Ausbildungsende qualifizierte ich mich an der Akademie des Gesundheitswesens zur Fachkrankenschwester Anästhesie/Intensivtherapie. Neben der Fachschwester Neurologie/Psychiatrie wurde das nach der Wende als einziges anerkannt und man wird entsprechend entlohnt. Daneben konnte man sich zur Fachschwester für Innere Medizin, Chirurgie usw. ausbilden lassen. Durch diese Qualifikationen erweiterten sich die Kompetenzen einer Krankenschwester, z.B. Blutentnahmen, Anlegen peripherer Venenzugänge, Verabreichung intravenöser Medikamente entsprechend der Arztanordnung usw.
Nach der sog. Wende durften das die Schwestern auf den peripheren Stationen nicht mehr.
Für Intensivstationen gibt es hausinterne Regelungen. In der Bundesrepublik orientierte man sich noch lange am Kompetenzgesetz für Krankenpflege aus dem Jahre 1936.
In der DDR gab es seit Mitte der 80iger Jahre an der Humboldt-Uni ein Studium zur Diplomkrankenschwester.
Von alldem wollte man natürlich nichts mehr hören, obwohl die Pflegeausbildung in allen anderen europäischen Ländern schon lange so strukturiert war, wie in der DDR. Im Jahre 2005 hospitierte ich im Londoner St. Thomashospital und erfuhr, dass die Schwesternausbildung ein 3-jähriges Studium mit praktischer Ausbildung beinhaltet. Nach 2 Jahren Berufserfahrung kann man sich fachbezogen weiterqualifizieren. Das nur mal so als Beispiel.
Erst jetzt wird das Fahrrad neu erfunden und man versucht sich den internationalen Standards anzunähern.
Ich hatte dabei noch Glück, weil ich mein ganzes Leben auf der ITS arbeitete und immer von meiner guten Ausbildung profitieren konnte.
Ich könnte ein ganzes Buch schreiben, welche Hirnrissigkeiten allein auf dem Gebiet des Gesundheitswesens stattfanden, wie viel Geld und Ressourcen vertan wurden….
Was mich zum Ende meines Berufslebens sehr verärgert, ist, dass diese 3 Jahre Fachschulstudium auch bei der Rentenberechnung nur als Schulzeit und nicht als Berufsausbildung anerkannt werden. Dadurch erreiche ich meine 45 Berufsjahre erst 3 Jahre später, während alle anderen Krankenschwestern mit 63 abzugsfrei in Rente gehen könnten. Da greift auch kein Gleichstellungsgesetz. Somit werden wir mit einer höheren, qualitativ besseren Ausbildung nun weiteres Mal bestraft. Das ist eine große Ungerechtigkeit.
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Danke für Ihren Artikel in der Berliner Zeitung. Ich habe dazu einen Leserbrief an die Berliner geschrieben und hoffe auf die Veröffentlichung. Über diese Benachteiligungen ist so viel Gras gewachsen und es gibt zu wenige, die da noch mal mit der Sense drüber gehen.