Niemand fällt durchs Rost – mit TV-Tipp

Der heutige Teil III meines Interviews mit dem Vizepremier und letzten Innenminister der DDR, Dr. Peter-Michael Diestel, beschäftigt sich mit den Beziehungen zwischen ihm und Dr. Günther Krause.

Foto: ©Herr Direktor (2021) Sprechstundenschwester.de interviewt Dr. Peter-Michael Diestel in seinem Arbeitszimmer.

Teil III

Der MDR strahlte 2020 erstmals einen Film über Sie und Dr. Günther Krause aus. Was meinen Sie, würde er zur Problematik der Sprechstundenschwestern sagen?

Ich bin ständig mit ihm Kontakt. Die Beziehung zwischen mir und Günther Krause ist in diesem Film sehr wahrheitsgemäß, ehrlich dargestellt. Wir sind sehr unterschiedliche Menschen, haben unterschiedliche Aufgaben, unterschiedliche Interessen. Das ist völlig logisch. Aber wir haben eine sehr eng verbindende Gemeinsamkeit aus der Zeit der deutschen Wiedervereinigung. Krause hatte seine Aufgaben als Staatssekretär. Ich hatte meine als Vizekanzler und Innenminister. Das war schon eine Zeit, die verbindet.

Diese Verbundenheit stellt sich so dar, dass ich fast ausschließlich für ihn später als Anwalt tätig war, in allen möglichen Bereichen, wo er Pech hatte, ausgerutscht ist oder sonst irgendwas gemacht hat. Aber das Leben ist so: Einer muss den anderen mitnehmen. Und das habe ich auch in diesem Fall so gemacht. Wir beide hatten einen gemeinsamen politischen Ziehvater. Das war Helmut Kohl und immer, wenn ich das Gefühl hatte, ich muss dem Günther Krause eins auf die Glocke geben, hat der Altbundeskanzler mich eines Besseren belehrt. Dann habe ich Günther Krause geholfen. Ist ein sehr heller Kopf, manchmal zu hell.

Und Sie wissen ja, dass die alten Sprichworte auch nach der Wende gelten. Es ist nicht gut, wenn man schlauer ist, als die Polizei erlaubt. Günther war immer schlauer als die Polizei. Das ist sein Problem gewesen: Aber ansonsten ist er ein sehr verdienstvoller Mann der deutschen Einheit und es hätte ihrer Sache dieser Sprechstundenschwestern gedient. Wenn man sich mit Krause unterhalten hätte, vorher. Das Problem ist: Nimmst Du eine kleine Berufsgruppe und ihre Hälfte des gesamten Regelungsmechanismus, der im Einigungsvertrag erfasst war, ist das eine Untergruppe. Aber ich glaube schon, dass die Regelung dieses völkerrechtlichen Vertrages auch eine Rechtfertigung und eine Regelung für diese relativ kleine Berufsgruppe beinhaltet hat. Relativ klein im Verhältnis zu den Gesamtveränderungen, die für Ost und West durch den Einigungsvertrag entstanden sind.

Der Einigungsvertrag war Günther Krauses Hauptwerk. Damals 1990. Er hat ein ganz präzises, mathematisch analytisches Gedächtnis. Ich habe das sichere Gefühl, dass diese Berufsgruppe eine Regelung erfahren hat. Und die Erläuterung dazu. Es gab immer Übergangsregelungen im Einigungsvertrag, weil wir andere Berufsgruppen hatten, weil wir andere gesellschaftliche Strukturen in der DDR hatten als in der Bundesrepublik. Und wir hatten größtes Interesse daran, dass keiner vergessen wird und durchs Rost fällt. Wenn das doch geschehen sollte, dann haben wir sogenannte Auffangregelungen formuliert und ich bin mir sicher, dass Günther Krause für dieses Defizit auch eine Erklärung hatte. Jetzt, 30 Jahre danach, ist es für Sie vielleicht nicht mehr ganz so interessant, aber wenn Sie wollen, organisiere ich ein Gespräch.

Fortsetzung folgt

Teil I hier

Teil II hier

 

Terminhinweis

Die Dokumentation „Mein Freund Günther. Diestel & Krause. Zwei ostdeutsche Biografien“ von Adrian Basil Müller wird erneut am Dienstag, dem 13. Mai 2025, 22:10 Uhr, im MDR-Fernsehen gesendet.

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