Die Thematik der Sprechstundenschwestern ist ein mediales Nischenthema. Auch deshalb gibt es dieses Online-Projekt. Den Journalisten Paul Hildebrandt, 29 Jahre jung und in der Lüneburger Heide aufgewachsen, schreckte die angebliche Nichtrelevanz der abgeschafften Ostberufe nicht. Auf seiner mehrwöchigen „Ostwalz“ trafen wir uns zum Interview. Auf seinem Blog berichtet er kurz über die Etappe mit Station südlich von Berlin.
Katrin heißt in echt Kerstin und ich habe sie für dieses Projekt porträtiert. Ich bin dankbar, dass sie bereit war, die Problematik stellvertretend aus ihrem persönlichen Erleben zu schildern. Pauls ganze Geschichte ist wie viele andere Begegnungen auf seinen Wanderungen durch Ostdeutschland noch nicht veröffentlicht. Wir sind gespannt darauf.
Paul Hildebrandt studierte in Göttingen und Be‘er Sheva (Israel) Politikwissenschaft und Ethnologie. Zudem schloss er eine Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin ab. Er arbeitet als freier Journalist für Print und Radio. Im Juli und August begab er sich auf Wanderung durch Ostdeutschland.
Zu seiner Reise beantwortete Paul Hildebrandt 3 Fragen:
Warum braucht die Welt Dein Projekt „Ostwalz“?
Ich glaube nicht, dass die Welt explizit mein Projekt braucht – aber ich glaube, dass die Welt mehr solcher Projekte braucht: In denen Journalist*innen ihre Privilegien reflektieren und ihre Blasen verlassen, um Menschen zuzuhören. Ich finde, „Zuhören“ ist für den Journalismus unheimlich wichtig, um andere Perspektiven kennen zu lernen und die wiederum in die Öffentlichkeit zu tragen.
Was macht es so einzigartig und erfolgreich?
Das Besondere daran ist: Ich begebe mich in Abhängigkeit von anderen Menschen, ich kippe damit ein Hierarchiegefälle. Auf dieser Reise nehme ich keine öffentlichen Verkehrsmittel und schlafe auch nicht in Hotels – stattdessen fahre ich per Anhalter und bin also darauf angewiesen, dass mir Menschen helfen. Ich glaube, das ändert eine ganze Menge im Machtgefälle „Journalist – Protagonist“. Ich entscheide am Ende, welche Teile ihrer Geschichte in der Öffentlichkeit landet – aber sie entscheiden, ob sie mich unterstützen wollen. Ich glaube: Das ermöglicht ein Treffen auf Augenhöhe. Außerdem nehme ich mir die Zeit ihre Geschichten zu hören. Ich werte und urteile erst einmal nicht, sondern nehme jede einzelne Begegnung als Puzzlestück hin. Am Ende soll daraus ein natürlich unfertiges, aber doch vielseitiges Bild der Gesellschaft entstehen.
Wie geht es weiter?
Ich bin noch knapp zwei Wochen unterwegs und habe einen ganzen Haufen ungeschriebener Geschichten im Gepäck. All das will ich zurück nach Berlin nehmen und andere Menschen an den gemachten Erfahrungen teilhaben lassen. Ich glaube: Wir als Gesellschaft müssen empathischer miteinander umgehen, wir müssen aufeinander zugehen und versuchen andere Perspektiven anzunehmen. Ich hoffe, dass mein Projekt ein Schritt dazu in die richtige Richtung sein kann.
Foto und Interview: Dagmar Möbius
Das Kurzinterview wurde Anfang August 2019 geführt und erstmals exklusiv im Newsletter III/2019 von Dagmar Möbius veröffentlicht.