Anerkennung kostet

Man kann sie bald nicht mehr hören: die Forderungen nach mehr Anerkennung der Pflege. Sie haben einen Bart, der seit Florence Nightingale nicht gestutzt wurde. Deren 200. Geburtstag steht bevor (dazu in Kürze mehr). Gut, dass das Problem erkannt scheint.

Aber: Damit auch außerhalb des Gesundheitswesens Tätige verstehen, worum es hier konkret geht, müssen Zahlen und Fakten auf den Tisch. Die Unterschiede in der Pflege ebenso. Für Laien ist Pflegekraft gleich Pflegekraft. Doch hierarchische Strukturen führen zu großen Unterschieden bei den Verdiensten. Eine Durchschnittsstatistik sagt deshalb nicht viel.

Nach einer aktuellen Veröffentlichung des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg verdienen im Krankenhaus beschäftigte Vollzeit-Fachkräfte in Berlin 3.511 € im Monat, in Brandenburg 3.279 € brutto.

Vollzeit-Fachkräfte in Arzt- und Zahnarztpraxen verdienen in Berlin 2.573 €, in Brandenburg 2.483 € brutto monatlich.

Bei Vollzeit-Fachkräften in Altenheimen stehen am Ende des Monats in Berlin 3.475 €, in Brandenburg 2.819 € brutto auf dem Lohnzettel. Sonderzahlungen sind jeweils nicht berücksichtigt.

Sind die Beschäftigten angelernt oder ungelernt, wird es prekär(er). Pflegehilfskräfte sind übrigens nicht ungelernt, sondern haben mindestens einen 200 Stunden umfassenden Pflegebasiskurs absolviert. Auch zertifizierte Betreuungskräfte haben eine mindestens 160 Stunden umfassende Weiterbildung abgeschlossen.

Zum Vergleich dazu Fachkräfte wie beispielsweise examinierte Krankenschwestern oder examinierte Altenpfleger sowie Medizinische und Zahnmedizinische Fachangestellte:

Vollzeitkräfte in   Berlin Brandenburg
Krankenhaus Fachkraft 3.511 € 3.279 €
  angelernt 2.740 € 2.524 €
  ungelernt 2.640 € 2.236 €
 
Arzt- und Zahnarztpraxis Fachkraft 2.573 € 2.483 €
  angelernt (2.186 €) 1.975 €
  ungelernt 2.066 €
 
Altenheime Fachkraft 3.475 € 2.819 €
  angelernt (2.209 €) 1.989 €
  ungelernt 2.170 € 1.855 €

Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, PI Nr. 93 vom 30. April 2020, bei den in Klammern stehenden Werten ist der Aussagewert eingeschränkt.

Weiterhin bestehen erhebliche Lohndifferenzen zwischen den Bundesländern.

Zitat aus der Anfang April 2020 vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung veröffentlichten Studie „Entgelte von Pflegekräften“:

„So verdienen Beschäftigte in Ostdeutschland 2018 im Schnitt 21 Prozent weniger als in Westdeutschland. Bei Fachkräften beträgt die Differenz -22,2 %, bei Helfern -17,4 %. Diese Ost-West-Kluft besteht auch in den Pflegeberufen, fällt allerdings prozentual meist etwas geringer aus [..]. Das mittlere Bruttoentgelt der Fachkräfte in der Altenpflege liegt in Ostdeutschland mit 2.515 Euro knapp 15,5 Prozent unter demjenigen in Westdeutschland mit 2.977 Euro. Zugleich liegen sie aber erstmals über dem mittleren Entgelt aller Fachkräfte in Ostdeutschland (2.479 Euro). Fachkräfte in der Krankenpflege erhalten im Osten im Mittel 11,1 Prozent weniger als im Westen. Auch bei den Helferberufen liegt der Westen vorn: Helfer, die in Ostdeutschland in der Altenpflege tätig sind, verdienen im Mittel 1.862 Euro. Das ist gut ein Achtel (-12,3 %) weniger als im Westen, wo der Verdienst 2.123 Euro beträgt. Bei Helfern in der Krankenpflege sind es sogar 21 Prozent weniger: Hier liegt der mittlere Verdienst im Osten bei 2.143 Euro, im Westen dagegen bei 2.709 Euro.

Das Fazit der Studie:

„Die Löhne der Pflegekräfte stellen für die Pflegeeinrichtungen einen wesentlichen Kostenfaktor dar. Sie sind aufgrund der ausgehandelten Pflegesätze außerdem weniger flexibel als in anderen Wirtschaftsbereichen. Zugleich ist der Lohn als Instrument zur Motivation und längerfristigen Mitarbeiterbindung und im Rahmen des weiter wachsenden Fachkräftebedarfs von erheblicher Bedeutung (vgl. Bogai 2017). Dennoch unterscheiden sich die Löhne in der Pflege nach wie vor erheblich zwischen den Pflegeberufen, den Bundesändern und den verschiedenen Pflegeeinrichtungen.“

Was hat das alles mit examinierten Sprechstundenschwestern zu tun?

Arbeiten sie im Krankenhaus, werden sie trotz Examen nicht als Fachkraft, sondern als Hilfskraft entlohnt. Das macht – wie die Kommentatorin des Beitrages „Post aus dem Bundesgesundheitsministerium“ zutreffend bemerkte – einen Unterschied von durchschnittlich 700 € monatlich aus.

Arbeiten sie im ambulanten Bereich, zählen sie zwar als Fachkraft, verdienen aber weniger als eine Hilfskraft im Krankenhaus, im Vergleich bis zu 1.500 € weniger als eine in der Klinik tätige Krankenschwester.

Auch wenn bei diesen statistischen Zahlen weder regionale Unterschiede noch Berufserfahrung berücksichtigt wurden – wo ist die Logik?

Der Fairness halber muss ergänzt werden, dass ab 1. Mai 2020 in der Alten- und ambulanten Krankenpflege erstmals branchenweit verbindliche Mindestlöhne eingeführt werden. Für Pflegehilfskräfte werden die Mindestlöhne in vier Schritten bis zum 1. April 2022 auf bundeseinheitliche 12,55 Euro pro Stunde steigen. Ab 1. September 2021 soll es keine regional unterschiedlichen Pflegemindestlöhne mehr geben.

Seit der Einführung des Mindestlohns in Deutschland im Jahr 2015 stieg dieser von 8,50 € pro Stunde auf 9,35 € im Jahr 2020 (brutto).

 

 

Bei einem Stundenlohn von 12,55 € und einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche werden Pflegehilfskräfte spätestens in zwei Jahren ein Brutto-Monatsgehalt von 2.175,33 € erzielen. Das liegt dann 554,66 € über Mindestlohn. Klingt super, doch es ist zu bedenken, dass  für Pflegehilfskräfte eher Teilzeitstellen und Minijobs als Vollzeitstellen üblich sind.

 

 

 

 

Die gebotene Aufwertung systemrelevanter Berufe betrifft nicht nur Pflegekräfte, sondern beispielsweise Beschäftigte in der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, im Lebensmitteleinzelhandel, bei Post-, Kurier- und Sicherheitsdiensten oder in Kindergärten und Vorschulen. Im Bereich Verkehr und Lagerei lagen die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste inklusive Sonderzahlungen für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer*innen im Jahr 2018 bei 2.717 € in Berlin und bei 2.263 € in Brandenburg. (Quelle: Statistische Jahrbücher Berlin und Brandenburg 2019).

Fürs Erste genug Gedankenfutter am (Feier-)Tag der Arbeit. Oder?

 

Auf diesen Maibaum haben es einige Vertreter*innen systemrelevanter Berufe schon einmal geschafft. Auch eine Form von Anerkennung.

Foto: capri23auto/pixabay

 

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